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Vernetzte Produktion

Maschinenauslastung optimieren - Einführung eines virtuellen Leitstands

Das Team des Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein (MDZ-SH) entwickelt im Rahmen eines Umsetzungsprojektes mit der Walter Otto Müller GmbH & Co. KG (WOM) ein Dashboard zur Ermittlung der Maschinenauslastung mit dem Ziel, diese zu optimieren. Konkret geht es um die Portalfräsmaschinen, mit denen WOM hochwertige Frontblenden und Gehäuseteile herstellt, die an Medizin- und Laborgeräten, aber auch im HiFi-Bereich verwendet werden.

  • Walter Otto Müller GmbH & Co. KG
  • 65 Mitarbeitende
  • Metallbearbeitung
  • Umsetzungsprojekt

Maschine, was machst Du - schläfst oder wachst Du?

Was macht eigentlich meine Maschine gerade? Produziert sie im besten Fall reibungslos möglichst durchgehend oder steht sie still – und wenn ja, wie lange und warum? Nun sind Maschinen nicht von Haus aus faul und träge, das heißt, wenn sie nicht laufen, hat dies in der Regel plausible Gründe: sei es, dass sie kein Material haben, das sie verarbeiten könnten, sei es, dass eine Störung vorliegt. Gerade nachts oder am Wochenende ist es wichtig zu wissen, ob hier Handlungsbedarf besteht. Lutz Bitomsky, Geschäftsführender Gesellschafter bei WOM bringt es auf den Punkt: „Ich muss ja nicht wissen, ob eine Maschine läuft, wenn jemand danebensteht; ich muss vor allem wissen, ob sie läuft, wenn niemand danebensteht.“ Deshalb wünschte er sich ein Dashboard als virtuellen Leitstand, das auf einen Blick die Aktivitäten anzeigt.
Die Maschinen an sich bieten ab Werk wenig Möglichkeiten zur Digitalisierung. Sie sind nicht mit der Intention zur Vernetzung konstruiert worden. Entsprechend sollte die Lösung mit möglichst einfachen Mitteln umgesetzt werden, ohne das Innenleben der Maschine aufwändig umzugestalten. Ausgehend von der ursprünglichen Fragestellung, die reine Betriebszeit der Maschine über Daten objektiv zu ermitteln, entwickelte sich während der Projektlaufzeit schnell der Wunsch, weitergehende Informationen zu bekommen, und damit eine Grundlage zu schaffen, um die Auslastung der Maschinen deutlich zu verbessern.

„Ich muss ja nicht wissen, ob eine Maschine läuft, wenn jemand danebensteht; ich muss vor allem wissen, ob sie läuft, wenn niemand danebensteht.“

Lutz Bitomsky, Geschäftsführender Gesellschafter bei WOM

Die Aufgabe

Vor dem Digitalisierungsprojekt wurde für jedes Werkstück ein Programm aus den einzelnen Bearbeitungsschritten zusammengestellt, daraus die Fertigungsplanung generiert und der Ablauf konventionell erfasst. Aus diesen Daten lässt sich allerdings nur sehr mittelbar auf die tatsächliche Auslastung der Maschine schließen und noch schwerer ist es, ungenutzte Potenziale zu erkennen. Speziell nachts, wenn unter Umständen gar keine Bediener anwesend sind und die Maschine nach einem erledigten Auftrag steht, ist es für die Bewertung wichtig, ob dieser Stillstand nur wenige Minuten oder einige Stunden andauert. Jede Stillstandszeit, auch wenn sie nicht von einem Schaden verursacht wird, senkt die Auslastung der Maschine und damit die Gesamteffektivität (Overall Equipment Effectiveness, kurz OEE).

So funktioniert das Dashboard

Um aus den einzelnen Maschinen zunächst die zugehörigen Daten zu erfassen und diese dann so darzustellen, dass sie genaue Erkenntnisse über die jeweilige Auslastung, aber auch mögliche sich ankündigende Störungen oder Verschleiße liefern, wird an jeder Maschine ein Gateway installiert, das die Signale aus der Produktionssteuerung erfasst. Die hier betrachteten Betriebszustände sind für die Analyse im ersten Schritt ausreichend, zusätzliche Sensoren werden noch nicht benötigt. So wird mit vergleichsweise einfachen technischen Mitteln eine Zustandsinformation der Maschine ausgegeben, und zwar in einem Format, das die weitere Verarbeitung zu Analyse- und Darstellungszwecken erlaubt. Bei der Auswahl des Gateways war vor allem wichtig, dass es sich um eine Open Source-Lösung handelt und dass diese später auch auf andere Maschinentypen übertragen werden kann. Die Gateways nehmen die Daten auf und übermitteln sie an einen Server, auf dem die Verkettung und Auswertung stattfinden. Aus diesen Daten wird dann ebenfalls mit einer Open Source-Lösung das maschinenspezifische Dashboard generiert.

Maschinenspezifisches Dashboard

Digitalisierung steht nicht still: so geht es weiter bei WOM

Für einen Fertigungsbetrieb wie WOM stellt die neu gewonnene Transparenz einen deutlichen Mehrwert bei der Auftragsplanung dar, weil die Daten jeder einzelnen Maschine in das Warenwirtschaftssystem des Unternehmens einfließen und so die Grundlage für optimale Disposition bilden.
Das Dashboard zeigt aktuell die Zustände der fünf 3-Achs-Portalfräsmaschinen an. Die Fertigung wird derzeit um einen Neubau einer Halle erweitert, sodass der zentrale und räumlich unabhängige Zugriff auf die Verfügbarkeit jeder einzelnen Maschine noch wichtiger wird. Nach dem Bezug der neuen Halle ist geplant, auch die 5-Achs-Maschinen zum Dashboard hinzuzufügen und nach und nach die gesamte Fertigung bei WOM zu vernetzen. Lutz Bitomsky ist überzeugt, dass „wir die Digitalisierung weitertreiben müssen. Das gilt nicht nur für uns als Unternehmen, sondern allgemein für die Industrie und die gesamte Gesellschaft.“ Diese Überzeugung hat schon für prominente Aufmerksamkeit gesorgt: Im Rahmen eines Unternehmernetzwerktreffens war auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther zu Gast in Itzehoe und hat sich das Fertigungsdashboard vorführen lassen.

Von der Labtour zum Projekt

Erfolgreiche Projekte entstehen fast immer daraus, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen und dass es einen Anknüpfungspunkt gibt. So war es auch beim MDZ-SH und WOM. Bei einem Besuch in der Digitalen Fabrik fand Lutz Bitomsky die präsentierte Idee für ein Dashboard so überzeugend, dass es schnell an die individuelle Umsetzung für WOM ging. Er ist der Meinung: „Ich kann zwar nicht alles digitalisieren, aber vieles, und vor allem die Ablauforganisation. Hier will ich vor der Welle sein. Deshalb habe ich mich auch ganz bewusst für die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein entschieden. Ich fühlte und fühle mich in dieser Kooperation ausgesprochen wohl.“ Diese Einschätzung teilt auch Professor Henning Strauß, Teilprojektleiter beim MDZ-SH. Aus seiner Sicht „ist der Austausch gerade mit mittelständischen Unternehmen für beide Seiten bereichernd, und die Zusammenarbeit funktioniert unkompliziert auf Augenhöhe.“
Nachdem die Entscheidung für das Projekt gefallen war, musste natürlich auch im Unternehmen kommuniziert werden, worum es geht und in diesem Fall ganz eindeutig, dass es nicht darum geht, Mitarbeiter zu überwachen, wenn die Maschinenaktivität erfasst wird. Die Botschaft ist angekommen, sagt Lutz Bitomsky: „Nach Erfahrungen, die ich vor einigen Jahren mit einer Kamera an der Maschine machen musste, hatte ich auch jetzt beim Dashboard mit Ressentiments gerechnet. Diese sind aber erfreulicherweise ausgeblieben.“

Fotos: WOM

„Ich fühlte und fühle mich in der Zusammenarbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein ausgesprochen wohl.“

Lutz Bitomsky, Geschäftsführender Gesellschafter bei WOM

Die Vorteile auf einen Blick

  • Informationen mit einfachen technischen Mitteln gewinnen
  • Viele Möglichkeiten für Analyse und Visualisierung
  • Präzise Information über Stillstandszeiten
  • Objektive Ansätze zur Verbesserung der Auslastung
  • Optimierte Auftragsplanung

Ihre Ansprechpartner

Prof. Dr.-Ing. Henning Strauß
Prof. Dr.-Ing. Henning Strauß Teilprojektleiter Maschinenbau
Tim Johannsen
Tim Johannsen Retrofit, Montagedigitalisierung, AR, VR