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Retrofit

Gelenkwellenfabrik Wilhelm Sass KG - Digitale Erfassung von Schweißzeiten

Die Gelenkwellenfabrik Wilhelm Sass KG beschäftigt sich mit der Konstruktion und Fertigung von Gelenkwellen. Für eine sogenannte Rundschweißmaschine sind innerhalb eines Transferprojekts mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kiel (M4KK) Möglichkeiten aufgezeigt worden, wie mit kostengünstiger Zusatzhardware die Maschine digitalisiert werden kann.

  • Gelenkwellenfabrik Wilhelm Sass KG
  • ca. 25 Mitarbeitende
  • Maschinenbau
  • Transferprojekt

Mit Retrofit Bestandsmaschinen digitalisieren

Alte Maschinen sind nicht zwangsläufig schlechte Maschinen. Im Gegenteil. Die Zeiten haben sich zwar geändert, doch schon mit einer einfachen Aufrüstung lassen sich die Vorteile der Digitalisierung auch bei nicht-digitalen Geräten nutzen. Retrofit heißt diese Technik. Aber warum überhaupt digitale Elemente einsetzen? Neben der Vernetzung bietet vor allem die Datenerfassung große Vorteile in der Produktion. Durch die Analyse lassen sich Anhaltspunkte finden, wie die Maschine effizienter eingesetzt werden kann, um so entsprechende Kosten zu vermeiden. Das M4KK-Kompetenzteam Maschinenbau hat dafür eine Hardware- und eine Software-Lösung gefunden, die von kleinen und mittelständischen Unternehmen kostengünstig eingesetzt werden kann. Damit sollen die Produktionszeiten einer Rundschweißmaschine bei der Willhelm Sass KG digital erfasst werden.

Die Rundschweißmaschine

Bei der auf dem Bild zu sehenden Rundschweißmaschine handelt es sich um eine Drehmaschine mit integriertem Schweißbrenner. Im Einsatz kommt es hier regelmäßig zu Produktionsengpässen. Zudem weiß das Unternehmen nicht, in welcher Zeit die Maschine tatsächlich produktiv arbeitet. Daher war es für das Kompetenzteam sinnvoll herauszufinden, welche Betriebsmittelzeit diese Maschine vorweist.

So wird die Maschine digitalisiert

Für das Transferprojekte wählte das M4KK-Team einen „Kunbus Revolution Pi compact“ aus. Dieser kann problemlos in die Maschine eingebaut werden und greift die benötigten Signale für die Datenerfassung und Analyse ab. Der Revolution Pi Compact ist eine Open Source-Kompaktsteuerung auf Basis eines Raspberry Pis. Durch ein offenes Plattformkonzept wird dem Anwender eine maximale Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung von Projekten geboten. Er besitzt zudem Anschlussmöglichkeiten für Sensoren und Aktoren sowie die Möglichkeit, über zwei Ethernet-Schnittstellen zeitgleich in zwei unterschiedlichen Netzen zu agieren. Als Betriebssystem wird ein angepasstes Raspbian mit Real-Time Patch eingesetzt. Individuelle Anwendungen lassen sich unter anderem über Node-RED, Python oder direkt in C programmieren.

Nach der Sichtung und Auswertung des Schaltplans und der Betriebsanleitung der Schweißstromquelle, wurden Signale identifiziert, mit denen die Betriebsmittelzeit ermittelt werden kann. Zu den sechs Signalen gehören:

  • Umschaltung Joystick
  • Fußtaster
  • Signallampe Grundstellung
  • Starttaster
  • Taster „Start Zyklus“
  • Meldung Strom fließt von der Stromquelle

Die Signale „Umschaltung Joystick“ und „Fußtaster“ dienen zur Ermittlung der Rüstzeit, mit dem „Starttaster“ wird die Gesamtzeit gestartet und mit der „Signallampe Grundstellung“ wird diese beendet. Zur Erfassung der Nebenzeit wird der Taster „Start Zyklus“ ausgelesen. Die Hauptzeit ergibt sich aus dem Signal „Meldung Strom fließt von der Stromquelle“.

Ab hier kommt nun die Software zum Einsatz. Die erfassten Daten werden nun über einen Knoten in Node-RED eingelesen und über verschiedene andere Knoten analysiert.

Node-RED

Node-RED ist ein von IBM entwickeltes grafisches Entwicklungswerkzeug. Die Software ermöglicht es, Anwendungsfälle im Bereich des Internets der Dinge (IoT) mit einem einfachen Baukastenprinzip umzusetzen. Eine große Auswahl an mitgelieferten Bausteinen deckt die meisten der gängigsten Dienste und Technologien ab. Node-RED bietet einen browserbasierten sogenannten Flow-Editor, mit dem Flows erstellt werden, indem verschiedene Knoten miteinander verbunden werden.

Um diese Daten nun anschaulich darzustellen bietet Node-RED die Möglichkeit, Daten über ein sogenanntes Dashboard zu visualisieren. Hier erkennt der Anwender nun auf einen Blick den Zustand der ausgelesenen Signale, die Betriebsmittelzeit des aktuellen Produktionszyklus und ein Kreisdiagramm, welches die Betriebsmittelzeit noch einmal grafisch darstellt. Zudem kann eine CSV-Datei heruntergeladen werden, die sämtliche erfassten Betriebsmittelzeiten beinhaltet.

Fazit

Der erstellte Prototyp auf Basis eines Revolution Pis mit der Software Node-RED eignet sich gut, um eine alte Bestandsmaschine schnell zu digitalisieren. Die Wilhelm Sass KG kann nun abwägen, ob sämtliche Bestandsmaschinen mit der Hard- und Software-Lösung ausgestattet werden. Dabei kann das Unternehmen auf Basis der vom M4KK erstellten Software Änderungen für ihre Maschinen vornehmen. Wichtig für den Einsatz dieser Geräte ist, dass das Unternehmen eine dedizierte Person bereitstellt, die die Entwicklung und Pflege verantwortet und somit eigenes Know-How aufbaut. Somit sind spätere Anpassungen oder Neuentwicklungen möglich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Revolution Pis immer dann sinnvoll ist, wenn die Bestandsmaschinen zwar alt sind, sie aber noch eine lange Zeit weiterverwendet werden sollen. Eine Digitalisierungslösung vom Hersteller bzw. eine Neumaschine wäre im Vergleich deutlich teurer.

Ansprechpartner

Tim Johannsen
Tim Johannsen Retrofit, Montagedigitalisierung, AR, VR