Direkt zum Inhalt
Prozessoptimierung

Von Neugier, Gier nach Neuem und Vuja Dés – so geht Digitalisierung bei Schatte

  • Otto Schatte GmbH
  • ca. 300 Mitarbeitende
  • Handwerk
  • Im Interview

Mit rund 300 Mitarbeitenden ist das Lübecker Traditionsunternehmen Otto Schatte GmbH auf Gebäudetechnik, Erneuerbare Energien, Anlagenbau, EMSR-Technik und Lichttechnik spezialisiert.

Die Projektsteuerung von zahlreichen zeitgleichen Bauvorhaben ist dabei für Schatte das A und O: Der Gesamtüberblick und der reibungslose Ablauf in den Projekten sind erfolgsentscheidend. Nachvollziehbar, dass da Digitalisierung ein wesentliches Thema spielt. Ein Thema, das bei dem Familienunternehmen bereits seit den 60er Jahren mit Einführung des ersten ERP-Systems auf der Agenda steht.

Seit zwei Jahren ist Lucas Rohlf in 3. Generation als Digitalisierungsbeauftragter im Unternehmen. Der Wirtschaftsingenieur Gebäudetechnik, der derzeit berufsbegleitend Leadership in digitalen Innovationen studiert, treibt vor dem Hintergrund des rasanten Wandels die Digitalisierung voran. Dabei geht es vor allem um eine gesamtheitliche Betrachtung aller Parameter, die mit der Wertschöpfung des Unternehmens zu tun haben.

Das MDZ-SH im Gespräch mit Lucas Rohlf.

MDZ-SH: Was bedeutet zum jetzigen Zeitpunkt Digitalisierung für das Unternehmen Schatte?

Lucas Rohlf: Für uns bedeutet Digitalisierung das Abbilden von Prozessen, das Speichern von Informationen, die Verarbeitung von Information und die Bereitstellung von Informationen. Das ist natürlich nichts Neues. Das, was für uns allerdings neu ist, ist die Digitale Transformation. Das eröffnet uns die Möglichkeit, Dinge grundsätzlich anders zu machen.

MDZ-SH: Das heißt?

Lucas Rohlf: Bis dato war das Vorgehen davon geprägt, dass wir Aufgabenstellungen durch Anschaffung einer Software gelöst haben. Passte die Software nicht 100%ig, so wurde mit Kompromissen gelebt. Jetzt haben wir einen anderen Fokus: Der Prozess kommt vor der Lösung. Wir betrachten weitaus intensiver, was wir machen oder machen wollen. Was sind unsere Produkte und Leistungen? Welchen Mehrwert müssen wir generieren, damit Kunden bereit sind, für die Leistung zu zahlen. Welche Prozesse stecken dahinter? Wer hat welche Rolle? Welche Rolle hat welche Aufgaben, Befugnisse oder Verantwortung? Welche Kompetenzen werden benötigt? Es geht uns um eine gesamtheitliche Betrachtung.

In den letzten Jahren haben wir viel Zeit in die Prozessanalyse investiert. Bei einem Traditionsunternehmen wie Schatte ist natürlich vieles historisch und kulturell gewachsen. Auch wird unser Vorgehen durch die Art der Kundenbeziehungen oder durch Vertragsbedingungen beeinflusst. All das müssen wir berücksichtigen, denn diese Rahmenbedingungen beeinflussen wiederum, in welcher Art und Weise wir die Prozesse abbilden. Dabei gehen wir davon aus, dass mindestens 80% des Prozesses einem standardisierten Vorgehen entsprechen und maximal 20% variabel sind. Die Frage ist, wie detailliert man vorgeht und ab wann die Prozessgestaltung nicht mehr sinnvoll ist. Diese Grenze haben wir noch nicht gefunden.

MDZ-SH: Das klingt nach viel Veränderung. Dabei sind eingefahrene Verhaltensweisen meist das größte Hindernis, um in Sachen Digitalisierung voranzukommen. „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist das klassische Totschlagargument gegen Veränderung. Wie schaffen Sie die Veränderung bei Schatte?

Lucas Rohlf: Zum einen werden die Mitarbeitenden bei der Prozessstrukturierung einbezogen, sind damit im Bilde und können sich einbringen. Hier wird intensiv miteinander gearbeitet. Wir verbinden theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen der Mitarbeitenden und probieren manchmal auch einfach nur was aus – entweder es funktioniert oder nicht. Ein iterativer Prozess. Bei diesem Vorgehen steht unser Lernprozess im Vordergrund, sodass man vertraut geglaubte Phänomene regelmäßig mit neuen Augen sieht, was es nach jeder Iterationsstufe wieder erlaubt, neue Fragen zu stellen und neue Ansatzpunkte zu finden. Ich spreche dabei immer von Vuja Dés.

Zum anderen legen wir großen Wert auf die interne Kommunikation. Hier vor allem auch die direkte Kommunikation mit den Mitarbeitenden. Wir informieren, fordern Feedback, fragen was klappt und was nicht. Und wir leben „predictive Support“. Sprich, sobald wir etwas Neues einführen, geht eine Person aus unserem Team herum und fragt proaktiv, ob alles klappt oder ob Hilfe benötigt wird. Das schafft Vertrauen in unser Vorgehen und unsere Lösungen. In diesem Jahr haben wir außerdem extra eine Stelle für die interne Kommunikation geschaffen.

Wir haben aber auch einen ganz besonderen Vorteil: Es herrscht Akzeptanz für Digitalisierungsthemen in unserem Unternehmen – nicht zuletzt durch meinen Vater, der das Thema frühzeitig vorangebracht hat. Man kann eigentlich sagen: Mein Vater ist nicht neugierig, sondern gierig nach Neuem. Eine ideale Basis, denn wir wollen vorankommen. Aber wir wollen evidenzbasiert und sinnvoll vorankommen. Manchmal ein echter Spagat.

MDZ-SH: Bei Ihnen gibt es also eher ein „Veränderung kennen wir schon“ und kein „das haben wir schon immer so gemacht“. Wie halten Ihre Mitarbeitenden da Schritt?

Lucas Rohlf: In Sachen Digitalkompetenzen planen wir für unsere Mitarbeitenden erstmalig Digitale Wochen bei Schatte. Diese erstrecken sich über sechs Wochen. Jede Woche hat ein Spezialthema. Mit unterschiedlichen Formaten wie Veranstaltungen, Videos, Lernbausteinen, Digitalisierungsführerscheinen oder Wiki-Einträgen wollen wir Mitarbeitende motivieren, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, um mehr Wissen und Verständnis zu erlangen. Dabei wollen wir die Komplexität unserer Herausforderungen in ein konsistentes Narrativ übersetzen, das leicht verständlich und zugänglich ist.

MDZ-SH: Komplexität ist das Stichwort. Es wird sehr deutlich, dass Sie viel vorhaben. Haben Sie in diesem großen Ganzen etwas, wofür Sie sich besonders begeistern können?

Lucas Rohlf: Am liebsten beschäftige ich mich mit dem Thema Governance und hier insbesondere der Fragestellung, wie in unserem Unternehmen Entscheidungen getroffen werden. Wie ist der Entscheidungsprozess? Wie werden Daten generiert, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden? Benötigen wir Entscheidungsgremien? Wie wird priorisiert? Wie sehen Modelle aus, um Entscheidungen noch besser zu treffen? Besonders spannend an diesem Thema sind informelle Pfadabhängigkeiten. Und natürlich sind diese Fragestellungen eng mit unseren Prozessen und der anstehenden Prozessmodellierung verwoben.

MDZ-SH: Vielen Dank, dass Sie uns einen Einblick in Ihr Unternehmen gewährt haben.

Die Otto Schatte GmbH hat in 2021 an der Digital Challenge, einem Format des Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein und The Bay Areas e.V. teilgenommen.

Im Rahmen der Digital Challenge werden traditionelle Geschäftsmodelle hinsichtlich ihrer Beständigkeit in der digitalisierten und nachhaltigen Welt auf die Probe gestellt. Dabei entwickeln Studierenden-Teams möglichst radikale Ideen und Impulse, welche zum Erfolg der teilnehmenden Unternehmen beitragen sollen. Der Gewinn sind das Wissen um potenzielle Herausforderungen der Digitalisierung und neue Geschäftsmöglichkeiten für das Unternehmen sowie Zugang zu Führungskräften und intensives Coaching durch das Mittelstand Digital Zentrum Schleswig-Holstein für die Studierenden.