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Künstliche Intelligenz

BAADER - Künstliche Intelligenz in der industriellen Bildverarbeitung

Wenn Maschinen sehen lernen: Nordischer Maschinenbau Rudolf Baader GmbH setzt in ihren Maschinen auf Künstliche Intelligenz.

  • Nordischer Maschinenbau Rudolf Baader GmbH
  • ca. 500 in Lübeck
  • Maschinenbau
  • KI-BootCamp

Künstliche Intelligenz stellt die Welt auf den Kopf. Jedenfalls, wenn man den vielen Schlagzeilen glaubt. Lernfähige Algorithmen werden bisweilen als DER Heilsbringer gesehen, um die Effizienz von Maschinen und Prozessen zu erhöhen. Schließlich ist das Potenzial der Künstlichen Intelligenz für die Industrie enorm. Gerade beim Thema Potenzial stimmen Thomas Raths und Björn Rünger von der Nordischer Maschinenbau Rudolf Baader GmbH durchaus zu. Sie erklären, welche Chancen, konkreten Anwendungsfelder und Herausforderungen Künstliche Intelligenz für BAADER mit sich bringen.

Frisch muss das Brötchen sein, so richtig knusprig. Maximal ein Salatblatt, vielleicht ein bisschen Soße und dann das Herzstück: der eingelegte Hering. So geht ein typisch norddeutsches Fischbrötchen. Jeder Bissen ein Genuss. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Hering nach dem Fang mal von einer Maschine von BAADER bearbeitet wurde, bevor er uns im Fischbrötchen erfreute, ist groß. Denn das familiengeführte Lübecker Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Maschinenbauunter­nehmen für die fischverarbeitende Industrie und blickt auf mehr als 100 Jahre Erfahrungen zurück.

„Wir haben das Ziel, unsere Maschinen ständig zu optimieren“, so Thomas Raths, Leiter der Abteilung Vision and Control Systems. „Dafür nutzen wir alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen.“ Eine ist die industrielle Bildverarbeitung. Denn immer mehr Automation in den Maschinen bedeutet bei BAADER immer mehr industrielle Bildverarbeitung. Mit seinem Einstieg in das Unternehmen (2004) brachte Björn Rünger neue Impulse mit: Maschinelles Lernen und SVMs (Support Vector Machines, mathematisches Verfahren der Mustererkennung). Themen, die zu dem Zeitpunkt lange nicht so in Mode waren wie heute. Trotzdem sah man bei BAADER durchaus viele Chancen, sodass man sich intensiv damit auseinandersetzte. „Angefangen haben wir damals beispielsweise mit Möglichkeiten der Farbklassifikation“, erläutert Björn Rünger. Heute ist das Unternehmen bei Deep Learning angekommen und nutzt die Vision-Anwendungen vor allem im Qualitäts- und Steuerungsbereich.

Fisch ist nicht gleich Fisch

Die Verarbeitung von Fisch und Fleisch unterliegt strengen Anforderungen: Die Produktion muss absolut hygienisch erfolgen und stets gleichbleibende Qualität liefern. Eine perfekte Maschinensteuerung in der Produktion ist dafür unerlässlich. „Wir generieren Bilddaten für die Ansteuerung der Maschinen“, erklärt Björn Rünger. Einfach gesagt: Es werden Aufnahmen von Fischfilets gemacht. Basierend auf diesen Aufnahmen werden Merkmale bestimmt, die wiederum der Maschinensteuerung dienen, um diese Filets dann zu schneiden oder zu säumen. Einfach gesagt eben. Das große Thema dabei ist die Vielfältigkeit der Tiere. Lachs ist nicht gleich Lachs und Hering eben nicht gleich Hering. Es gibt unterschiedliche Rassen, regionale Unterschiede, saisonale Einflüsse (Laichzeit), Größenunterschiede bei Tieren aus Aquakultur oder Wildbestand, der Beifang muss aussortiert werden und und und. „Das macht die Sache so spannend“, freut sich Björn Rünger, der ganz in seinem Element ist. Thomas Raths ergänzt: „Damit umgehen zu können und am Ende eine stabile Maschine zu entwickeln – das ist unsere Kernkompetenz. Darauf sind wir stolz.“

Die Arbeit in der Abteilung Vision and Control Systems

„Die Entwicklungsarbeit in unserem Bereich bietet viele Herausforderungen und ist durch die umfassende Betreuung der Projekte sehr Abwechslungsreich“, berichtet Thomas Raths. Die Entwickler in der Abteilung sind von der ersten Idee bis zur Erprobung oder Weiterentwicklung der Maschine beim Kunden mit dem Thema befasst und erleben so auch persönlich vor Ort wie gut eine erschaffene Lösung funktioniert. Da viele der entwickelten Softwarekomponenten tief in den gesamten Ablauf der Maschinen integriert sind, müssen die Entwickler ein ganzheitliches Verständnis für die Maschine haben und sich z.B. für Versuche auch in andere Aufgabenfelder einarbeiten. Ein Softwareentwickler mit einem Schraubenschlüssel in der Hand muss damit kein Widerspruch sein. „Dieses breite Spektrum an Aufgaben und die vielfältigen Möglichkeiten beim Erzeugen von Lösungen machen für mich die Attraktivität des Jobs aus“, sagt Björn Rünger.

Wo kommen die Daten her?

Entwickelt wird am Standort in Lübeck. Die Datenbasis wird dort generiert und ein erster Prototyp erstellt. Dieser wird in Zusammenarbeit mit Kunden weiterentwickelt, sprich bei der Fisch- oder Geflügel-Verarbeitung werden Daten vor Ort aus dem realen Betrieb beim Kunden gesammelt, die BAADER nutzen kann. „Wir können die benötigten Datenmengen für die Entwicklung nicht ohne die Zusammenarbeit mit unseren Kunden generieren“, betont Thomas Raths. Dabei ist es Ihnen ganz wichtig, nicht nur bei einem Kunden Erfahrungen und Daten zu sammeln, sondern sich breit aufzustellen. Denn durch die Vielfalt in den Produkten ist es losgelöst von der Methode wichtig, testen zu können, ob die Lösung in einer großen Bandbreite stabil funktioniert.
„Dieses Vorgehen funktioniert allerdings nur, weil wir eine transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Kunden leben“, betont Thomas Raths.

Deep Learning - vom Menschen lernen

„Wir waren durchaus skeptisch. Klingt spannend, müssen wir unbedingt ausprobieren, aber ob das wirklich so funktioniert… eigentlich glaubten wir das nicht so richtig,“ steigt Björn Rünger in das Thema ein. Aber, wie es für das Team von BAADER typisch ist: Neue Technologien bieten neue Möglichkeiten und die gilt es zu erschließen.

Damit Bilder automatisiert verarbeitet werden können, muss der Inhalt der Bilder „erkannt“ werden. Damit also eine Maschine die Bedeutung von Bildern oder auch einzelner Bestandteile erfassen kann, muss eine Künstliche Intelligenz „lernen“, die Bilder zu verstehen. Um das zu erreichen, bedarf es nicht nur großer Trainingsdatenmengen, sondern auch den Input von Menschen. Hier spricht man von Annotation oder Labeling. Dazu gehören beispielsweise das Hervorheben von wesentlichen Stellen auf Bildern, das Platzieren von Markierungen, das Hinzufügen von Keywords oder das Festlegen einer Perspektive. Bei einem selbstlernenden Algorithmus wie Deep Learning werden auf dieser Basis auch komplexe Aufgaben eigenständig gelöst.

„Das Thema Annotation ist neu für uns“, erklärt Björn Rünger. Erste Erfahrungen zeigen, wie aufwendig die Annotation großer Datenmengen ist. Man braucht nur einmal an Fischgräten denken, die man einzeln einzeichnen muss. „Doch nicht nur hier liegt eine Herausforderung“, betont Thomas Raths. „Fische aus Aquakultur sind sehr ähnlich. Wir benötigen aber auch Bilder mit Abweichungen für ein umfassendes Training. Die Datenmengen auf- und vorzubereiten ist ein Riesenaufwand. Hier stoßen wir teilweise an erste Grenzen, von dem was möglich ist. Wir wissen, dass wir nicht alles mit Deep Learning erschlagen können, weil wir Fälle abdecken müssen, wo wir vielleicht nur 5 abweichende Bilder haben.“

Das Deep Learning Bootcamp des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kiel

Für ein innovatives Unternehmen wie BAADER ist Expertentum essentiell. „Wir wollen das Know-how im eigenen Hause haben“, betont Thomas Raths. Natürlich hole man sich bei Bedarf externe Expertisen dazu, aber man investiere viel ins eigene Team. So haben einige am Deep Learning Bootcamp des M4KK teilgenommen. „Es geht darum, neue Ideen und Ansätze zu erhalten. Wie gehen andere mit dem Thema um?“, so Björn Rünger. „Einfach mal mit anderen Unternehmen programmieren – da entstehen tolle Impulse.“

KI hat kein Bauchgefühl

Bei BAADER ist man davon überzeugt: KI ist ein gutes Tool. Aber es ist keine Wunderwaffe, sondern muss sehr bewusst dort eingesetzt werden, wo es zielführend ist. Deswegen verfolgt man bei BAADER einen hybriden Ansatz – klassische Methoden und Künstliche Intelligenz. „Wir brauchen beide Welten.“
Zudem könne Künstliche Intelligenz Experten nicht ersetzen. „Gerade wenn es um Expertise in Sachen Fisch geht“, so Thomas Raths. „Da fehlt der KI einfach das Bauchgefühl.“

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Christoph Linse
Christoph Linse Künstliche Intelligenz (KI)