Von Daten- zu Buchschätzen
„Zuerst war ich ziemlich skeptisch, aber schon das Ergebnis der ersten Prototypen hat mich komplett überzeugt“, freut sich Jörg Bremer. Gemeinsam mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein hat sich der Geschäftsführer von Border-Buch mit KI-gestützten Buchempfehlungen auseinandergesetzt.
Der Bestandsbuchhandel Border-Buch ist auf den Verkauf von Büchern über Plattformen von Drittanbietern angewiesen. Dabei ist es oft schwierig, Wiederholungskäufer zu generieren. „Wir wollen durch ein gutes Empfehlungsmanagement gerne mehr Käufer dazu bewegen, erneut bei uns Bücher zu kaufen. In unserem Bestand haben wir über 50.000 Bücher, jeden Tag kommen ungefähr 5.000 neue auf den Markt. „Kein Buchhändler kann alle Bücher gelesen haben und umfassende Empfehlungen aussprechen“, fasst Jörg Bremer die Herausforderung zusammen. Anwendungen mit künstlicher Intelligenz eignen sich besonders gut, große Datenmengen händelbar zu machen. Bereits jetzt setzen große Versandhändler auf KI-gestütztes Empfehlungsmanagement. Dabei werden meist die Warenkörbe der Nutzenden ausgewertet. Gerade bei Büchern führt das dazu, dass vor allem Bücher der gleichen Reihe oder des gleichen Autors empfohlen werden. Die Tipps gehen nur wenig auf die Inhalte der Bücher ein.
„Wir wollten ein Empfehlungsmanagement, dass sich auf die inhaltlichen Aspekte der Bücher fokussiert und Lesenden ein Buch nicht nur empfiehlt, weil es den gleichen Autor hat. Unser Wunsch war ein System, das Bücher empfiehlt, weil sie inhaltlich und von der Semantik gut zu der Auswahl der Kundinnen und Kunden passen“, erklärt Jörg Bremer. „Um ein solches System aufzubauen, fehlte uns in unserem Unternehmen das Know-how.“ Wissen, welches er bei Henrik Horst aus dem Team des Zentrums Schleswig-Holstein findet. Gemeinsam werden zunächst die Daten für eine erste prototypische Entwicklung aufbereitet. Das Besondere an diesem Prototypen: Die künstliche Intelligenz soll die Klappentexte der Bücher einbeziehen. So können deutlich mehr Informationen zum Inhalt der Bücher und Schreibstil der Autoren miteinander verglichen werden. Nach und nach könnten außerdem weitere Informationen zu den Büchern ergänzt werden. In sechs Schritten ging es dann von der ersten Idee über einen ersten Prototyen hin zu Überlegungen, wie dieser im Versandhandel integriert werden kann:
Um sich für das passende KI-Modell zu entscheiden, wird genau festgelegt, welche Anforderungen erfüllt werden sollen. Das hier verwendete Embedding Modell wurde bereits grundlegend mit Daten trainiert und kann daher Texte, in diesem Fall die Klappentexte der Bücher, in Vektoren wandelt. Dies können dann in einem nächsten Schritt miteinander verglichen werden.
Embedding Modelle benötigen den Text in formatierter Form und unter einer bestimmten Länge. Der Datensatz von Border-Buch musste daher entsprechend formatiert und vorbereitet werden.
Die vorbereiteten Daten wurden mit dem ausgewählten Embedding Model in mathematischen Vektoren umgewandelt. Entstanden ist daraus eine Vektorendatenbank, in der jeder Vektor einem Ursprungstext zugeordnet ist.
Für Empfehlungen wird der Vektor eines ausgewählten Buches in der Vektorendatenbank verglichen und die ähnlichsten Vektoren werden vorgeschlagen. Ausgeben werden die verknüpften Ursprungstexte, sodass Nutzende semantisch ähnliche Bücher empfohlen bekommen.
Erste Tests mit dem Buchbestand von Border-Buch zeigen: Die Datenbank funktioniert. Mit kleineren Datensätzen wurden die Empfehlungen validiert. Dann folgen die Feinabstimmung und das nachträgliche Filtern der Ergebnisse. Bücher mit gleichem Autor werden beispielsweise nicht mehr angezeigt. Kunden erhalten so Empfehlungen, die semantisch ähnlich sind und gleichzeitig von anderen Autoren geschrieben wurden. Die Kunden erhalten so deutlich diversere Empfehlungen.
Der erste prototypische Aufbau macht die Möglichkeiten einer KI-gestützten Empfehlungssoftware deutlich. Jörg Bremer ist von den Ergebnissen sehr überzeugt: „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es schon so gut funktioniert. Nach unserem letzten Test habe ich mir direkt fünf neue Bücher bestellt, die ich noch nicht kannte.“ Gleichzeitig wurden kleinere Anpassungsbedarfe deutlich: So empfahl das System teilweise unpassende Bücher, bei denen zwar Überschrift und Wortwahl der Beschreibungen ähnlich waren, jedoch die Buchkategorien oder Themen sich stark vom ausgewählten Buch unterschieden. Hier gibt es weiteres Verbesserungspotenzial.
Border-Buch hat im Projekt gemeinsam mit dem Zentrum Schleswig-Holstein die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz entdecken können. „Wir sehen in dem, was wir hier kennengelernt haben, ganz verschiedene Möglichkeiten und wollen auf jeden Fall darauf aufbauen“, erklärt Jörg Bremer. Zunächst sollen Kunden bei Bestellungen Karten mit weiteren Empfehlungen aus dem Bestand des Buchhandels erhalten. Das System soll aufbauend weiter verfeinert werden. Durch die neuen Erkenntnisse bieten sich auch neue Möglichkeiten für weitere Geschäftsmodelle - zum Beispiel eine Basis für einen eigenen Onlineshop oder die Vermarktung einer Empfehlungssoftware für den stationären Buchhandel. „Uns hat die Zusammenarbeit sehr weitergebracht. Wir konnten erfahren, was mit KI möglich ist und was es für eine erfolgreiche Integration braucht. Wir können anderen Unternehmen nur empfehlen, sich hier Unterstützung zu holen“, fast Jörg Bremer zusammen.
Vorteile für das Unternehmen auf einen Blick:
- KI-Wissen
- Prototypische Umsetzung eines KI-gestützten Empfehlungssystem