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Digital Challenge

Heidelberger Druckmaschinen: Digitalisierung in der Druckbranche

Digitalisierung, das bedeutet für einen Maschinenbau-Betrieb wie die Heidelberger Druckmaschinen AG auch, die eigenen Kund*innen zur Nutzung ihrer Software zu befähigen. Wir sprachen mit Serviceleiter Klaus Schelble aus Kiel über die Potentiale der digitalen Automatisierung in der Druckbranche.

Was ist Heidelberger Druckmaschinen AG

Eigentlich würde man auf den ersten Blick glauben, dass der Druck zu den Branchen gehört, die bei der Digitalisierung unter die Räder kommen. Doch das ist zu kurz gedacht, denn Druckerzeugnisse sind weit mehr als nur Zeitungen, Bücher und Flyer. „Trotzdem ist die Veränderungsdynamik rasant“, erklärt Klaus Schelble und wirkt nachdenklich, „das ist mir vor allem wieder während der Digital Challenge aufgefallen. Die Digitales Natives lesen kaum noch Zeitungen aus Papier. Die Papierzeitung ist eines der Produkte, die noch in diesem Jahrhundert verschwinden wird.“ Dagegen sei die Verpackungsindustrie ein Wachstumsmarkt, denn Verpackungen würden immer aufwendiger und individueller werden, so Schelble. Auch die Qualität von gedruckten Büchern nimmt in Konkurrenz zu den eBooks immer weiter zu.

Die Heidelberger Druckmaschinen AG baut Druckmaschinen, beschäftigt sich jedoch auch prinzipiell mit den Vorgängen vor, während und nach dem Druck. Sie versteht sich als Systemanbieterin für die Druckereien, die alle mittelständische Betriebe sind. Neben der Hardware gehört natürlich auch eine Software dazu, die sämtliche Prozesse und Vorgänge in der Druckerei begleitet. „Mit der Digitalisierung beschäftigen wir uns schon etwas länger. Unsere Software Prinect, ein Kunstwort aus Print und Connect, hatte ihren Launch im Jahr 2000“, sagt Schelble stolz.

Wo liegen die Herausforderungen bei der Digitalisierung für die Druckereien?

Die Software wurde während der Digital Challenge bei den zwei Studierenden-Gruppen zum Hauptthema, die das Unternehmen eine Woche lang auf die Probe stellten. Das Problem: Mit der Software-Lösung lassen sich zwar weite Teile des Druckprozesses automatisieren, jedoch wird die Software in den Druckereien kaum in ihrer ganzen Funktionalität genutzt. „Ich sage immer, wir bieten da einen Ferrari an, aber gefahren wird der nur im ersten Gang. Wir schaffen es bei unseren Kunden kaum, dass sie den zweiten und dritten Gang einlegen und die volle Funktionalität unserer Software nutzen“, so Schelble, „das hat u.a. mit der Ausbildung zu tun und da haben wir mit den Studierenden ein Konzept gesucht, wie wir das effizienter gestalten können.“ Wie bei vielen Projekten der digitalen Transformation reicht die Verfügbarkeit einer Software meist nicht aus. Die Druckereien müssen ihre Prozesse und Arbeitsweise ändern und das funktioniert nur, wenn die Menschen mitgenommen werden und die entsprechende Veränderung entsprechend organisiert wird, so Schelble.

Im Prinzip lassen sich Druckereien heute komplett automatisieren und digitalisieren. „Früher war unser Bedienphilosophie „Push to Start“. Der Drucker hat alle Vorgänge selbst ausgelöst, er war sozusagen der Maschinenführer. Heute ist unser Ziel „Push to Stop“. Der Bediener greift nur noch ein, wenn er den Prozess anhalten möchte, sagt Schelble und kommt ins Schwärmen, „das ist schon irgendwie meine Passion, sämtliche Prozesse in einer Druckerei zu automatisieren. Mir sagte letztens ein Kunde, die Automatisierung hört niemals auf. Und er hat Recht, obwohl er schon sehr weit war. Wir haben die Touchpoints, das ist ein Eingriff bei dem ein Mensch den Weg eines Druckproduktes beeinflusst, von 15 auf mittlerweile 4 reduziert. Alles andere läuft inzwischen voll automatisch durch. Technisch gesehen können wir sogar noch mehr. Das heißt, man bestellt ein Druckprodukt und schon beginnt der Druckprozess – vorausgesetzt, alles ist richtig eingestellt.“

Wer eine Druckerei von vor 15 Jahren kennt, der hatte noch ein ganz anderes Bild vor Augen. Da wurde zur internen Abstimmung viel telefoniert. „Da hatten wir die Idee einer digitalen Auftragstasche, weil wir festgestellt haben, dass der Auftragsname elf Mal in diverse Systeme eingegeben werden musste. Das haben wir vereinfacht.“

Die digitale Transformation befindet sich im vollen Gange. Aus dem ursprünglichen Handwerk des Druckens ist eine Industrie geworden. Als Beispiel nennt Schelble Internet-Druckereien wie Flyeralarm. „Der Gründer von Flyeralarm hat als Nicht-Drucker die Branche revolutioniert, weil er radikal standardisiert und automatisiert hat“, erzählt er, „in der Branche ist in den letzten 20 Jahren also sehr viel an Innovation und Digitalisierung passiert.“

Ist der nächste Schritt in der Druckerei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz?

Doch wie wird es weiter gehen? Natürlich ist auch Künstliche Intelligenz ein Thema. „Da haben wir schon ein paar Ideen, an denen wir gerade arbeiten“, sagt Schelble, „ein Klassiker sind die Auftragswechsel an einer Druckmaschine. Unsere Software steuert und optimiert alle Rüstsequenzen die notwendig sind, um von Auftrag 1 zu Auftrag 2 zu wechseln. Dabei wird der Bediener durch intelligente Assistenten unterstützt. Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz werden die Rüstzeiten verkürzt und die Anlaufmakulatur reduziert. Damit werden diese Prozesse nachhaltiger und zeitsparender gestaltet.

 

Das Interview führte Jessica Kordouni

Die Heidelberger Druckmaschinen war Teilnehmer bei der Digital Challenge 2020. Im Zuge der einwöchigen Veranstaltung haben zwei Studierenden-Teams neue Geschäftsmodelle entwickelt und Heidelberger Druck auf den digitalen Prüfstand gestellt.