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Digital Challenge

Digitales Parken: Hausbesuch bei der Designa Verkehrsleittechnik GmbH

Wie digitalisiert man eigentlich ein Parkhaus? Und wie begegnet ein Technologieunternehmen wie die Kieler Firma Designa dem schnellen Wandel? Wir haben mit Riccardo Rieder und Torsten Hellwig gesprochen.

Bild: Claudio Schwarz | @purzlbaum Unsplash

Was bedeutet Digitalisierung für Ihr Produkt, wie funktioniert digitales Parken?

Riccardo Rieder: Das Parken war lange Zeit relativ statisch und hardware-lastig. Designa gibt es seit über 60 Jahren und da ging es von Anfang an darum, Geräte zu produzieren und sie durch Hardwarekomponenten mit Funktionen auszustatten. Das heißt, wenn man eine neue Funktion benötigte, dann wurde ein neues Teil eingebaut. Das hat sich grundlegend gewandelt. Wir gehen immer weiter weg von der Hardware, hin zu mehr Software. Die Geräte sind deshalb immer kompakter geworden, weil immer weniger Hardware verbaut wird bzw. die Hardware, die drin ist, meist mehrere Funktionen hat. Wenn der Kunde weitere Funktionen nutzen will, werden sie nicht mehr eingebaut, sondern sie werden aktiviert, über die Software. Es ist im Prinzip wie ein Auto, wo man sich einen Motor mit einer bestimmten PS-Klasse aussucht. In allen Wagen ist der gleiche Motor drin, aber man kann verschiedene Leistungsgrößen freischalten. Man wechselt dann nicht den 90 PS Motor gegen einen 110 PS Motor in der Werkstatt, sondern man schaltet die neue Leistungsklasse frei, weil der Motor das von vornherein kann.

Und so ist es auch bei uns. Wir bereiten die Geräte mit allen potenziellen Funktionen vor und über die Software können wir dem Kunden die Funktionen freischalten, die er haben möchte. Wir hatten früher z.B. eine Voice-Over-IP auf einer eigenen Platine. Diese Funktion haben wir jetzt mit einer weiteren auf der Platine on Board gebracht. Sie ist potenziell da, auch wenn der Kunde sie am Ende nicht aktivieren will. Für uns bringt das verschiedene Vorteile. Es ist für den Kunden bequem, weil es schnell geht und er keinen Service-Techniker braucht. Wir haben, da wir mehr von einer Hardware produzieren, Mengeneffekte, die sich am Ende in den Kosten niederschlagen und in den Preisen. Das ist konkret das, was auf Produktseite bei uns passiert. Und natürlich wandern die Themen immer mehr in Richtung Apps und die Online-Welt.

Torsten Hellwig: Der Softwareanteil nimmt immer stärker zu und der Hardwareanteil wird immer mehr gegen Null gehen. Gut war, dass wir dieses große Datenbankmodell schon seit 10 oder 11 Jahren entwickelt haben, damit wir jetzt auf den Datenbasen aufbauen können, die wirklich interessant sind. Auch für andere Dienstleister, die diese Daten brauchen, um zum Beispiel Verkehrsflüsse zu berechnen. Da ist die Digitalisierung in vollem Gange und das ist uns auch vollkommen bewusst. Wir haben Arbeitsgruppen zur Digitalisierung und Standardisierung gebildet, um hier auch einen gewissen Standard reinzubringen. Die Produktvielfalt muss am Ende wieder geringer werden, um das Ganze wirtschaftlich zu gestalten. Das machen wir jetzt mit ganz großen Schritten. Es wird neue Bedienoberflächen geben, alles angepasst an heutige Techniken. Wir werden Software as a Service anbieten.

Riccardo Rieder: Dafür sind eigene Stellen geplant. Für die Cloud-Solutions und den Bereich der Digitalisierung.

Torsten Hellwig: Es wird einen CDO (Chief Digital Officer) geben, also ähnlich wie bei der Stadt Kiel, der sich hauptsächlich damit beschäftigt.

Was bedeutet Software as a Service?

Bei einem Software as a Service-Modell wird die Software und IT-Infrastruktur bei einem externen IT-Dienstleister betrieben. Kunden greifen über das Internet auf die Software zu.

Was macht ein Chief Digital Officer?

Der Chief Digital Officer (CDO) ist eine Führungsperson, die für die Planung und Steuerung der Digitalen Transformation eines Unternehmens verantwortlich ist.

Das ist ja auch Druck, der von außen kommt. Mobile Endgeräte, Autos, die immer mehr zu Computern werden und alles ist vernetzt bzw. vernetzt sich. Und plötzlich muss man sich auch mit sowas wie Apple Pay auseinandersetzen, weil die Erwartungshaltung der Kunden einfach da ist.

Torsten Hellwig: Die ist da. Es heißt nicht mehr „Könnt ihr Apple Pay?“ sondern „Wann kann ich das haben“. Interessant finde ich auch die Geschichte, dass wir jetzt in Mexiko Anlagen aufbauen, die hier in Deutschland auf die Host aufgeschaltet sind. Da spielen Latenzzeit-Probleme keine Rolle mehr, sondern des funktioniert einfach. Es muss funktionieren und es gibt natürlich die Erwartungshaltung, dass es nicht lange dauert, um es in Betrieb zu nehmen.

Riccardo Rieder: Gleichzeitig ermöglichen uns die Technologien bessere Sprünge, z.B. in der Kennzeichenerfassung. Wenn da die Genauigkeiten durch die Algorithmen und künstliche Intelligenz höher werden, werden diese Produkte auch automatisch interessanter für die Kunden, die dann anfangen, es nachzufragen. Das war in der Vergangenheit so nicht der Fall. Da hat eine Schranke gereicht und jeder wusste, da kann ich jetzt nicht rein.

Torsten Hellwig: Das sind Herausforderungen für die nächsten 10 bis 15 Jahre. Bis dahin wird sich noch sehr viel ändern. In 15 Jahren denke ich, dass wir eventuell keinen Kassenautomaten mehr haben, der Bargeld nimmt.

Riccardo Rieder: Bezahlung von Maschine zu Maschine. Das heißt, das Auto bezahlt im Parkhaus einfach selbst. Da gibt es vielleicht keine App mehr, da gibt es möglicherweise auch keine Schranke mehr. Es fährt einfach rein, und es fährt raus, und der Fahrer sieht dann nur noch auf seinem Display: „Vielen Dank für Ihre Zahlung“.

Und wahrscheinlich steht das Auto dann noch im Parkhaus und ruft einen Mechatroniker, wenn irgendwas kaputt ist.

Riccardo Rieder: Ja dann kommt der Servicetechniker.

Torsten Hellwig: Oder das Auto fährt selbst in die Werkstatt.

Riccardo Rieder: Es gibt da ja schon die ersten Modelle. Die Automobil-Hersteller haben bereits ein eigenes Bezahlungssystem, wie z.B. „Mercedes-Pay“, „BMW-Pay“. Da hat der Kunde auf seinen Account seine Kreditkarte hinterlegt.

Torsten Hellwig: Stimmt, es gibt auch „We Park“ von VW.

Riccardo Rieder: Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Es wird natürlich irgendwann einen Standard geben. Da muss ich natürlich auch mit jedem Bezahlsystem in jedes Parkhaus kommen. Maschine zu Maschine, also Auto zu Parkhaus, wird passieren. Und natürlich gibt es die Frage, welche Rolle DESIGNA dann spielt. Was ist, wenn es keine Schranke oder keinen Kassenautomaten mehr gibt, weil er schlichtweg nicht mehr nötig ist? Wir als Firma müssen rechtzeitig die Weichen stellen und auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen.

Was bedeutet die Digitalisierung für das Unternehmen selbst?

Torsten Hellwig: Im Unternehmen sind wir schon sehr weit. Wir können unsere Workflows schon digital abbilden. So geht z.B. eine Störung in einem Parkhaus in das System hinein und taucht dann auf dem Tablet des Service-Technikers auf. Die Workflows bilden sich als digitale Geschäftsprozesse ab. Das machen wir z.B. sehr stark im Service in Verbindung mit unserem ERP-System, auf das die Designa-MitarbeiterInnen weltweit zugreifen können. Das ist auch notwendig, weil es immer mehr Anlagen und glücklicherweise immer mehr Kunden gibt.

Was ist ein Workflow?

Der Workflow ist die englische Bezeichnung für einen Arbeitsablauf oder Prozess.

Was ist ein ERP-System?

Ein Enterprise-Resource-Planning (ERP)-System ist eine komplexe Anwendung oder eine Vielzahl miteinander kommunizierender Anwendungssoftware- bzw. IT-Systeme, die zur Unterstützung der Ressourcenplanung des gesamten Unternehmens eingesetzt werden.

Riccardo Rieder: Bei den Zollthemen, also dem Versenden unserer Kassen und Parksysteme ist es ähnlich. Dort muss zum Teil sehr viel ausgefüllt und beglaubigt werden. Software ist da klar im Vorteil. Man kann sich schon fast nicht mehr vorstellen, wie das früher mit Durchschlägen oder per Fax erledigt wurde.

Torsten Hellwig: In der EU ist das vielleicht noch einfach, in anderen Ländern kaum.

Designa

Digitalisierung ist auch eine Sache, die alle Mitarbeiter*innen betrifft. Gibt es da eventuell Widerstände, habt ihr bestimmte Methodiken, um Dinge einzuführen?

Torsten Hellwig: Also wirkliche Widerstände innerhalb des Kollegiums gibt es nicht. Natürlich sind Schulungen notwendig. Du musst alle begeistern und auch die Vorteile hervorheben, dann ist es in der Regel kein Problem.

Riccardo Rieder: Es ist das Mindset, das in die Firmen gebracht werden muss. Das ist die große Aufgabe in der heutigen Zeit. Unsere Firma DESIGNA ist in den letzten Jahren stark gewachsen und es brauchte ein Projektmanagement. Und jetzt sind wir auf der Stufe, wo langsam auch agile Methoden Einzug halten und wir SCRUM anwenden. Das nutzen wir jetzt z.B. innerhalb eines größeren Projektes sehr stark. SCRUM lässt sich aber sicherlich nicht für alles anwenden. Es wird neue Projekte geben, die wir damit umsetzen werden, aber auch Aktionen und ganze Abteilungen, die aus unterschiedlichen Gründen so nicht arbeiten können. Aber wirklich Widerstände – nein.

Torsten Hellwig: Das liegt vielleicht auch daran, dass wir ein Technologie-Unternehmen sind und sich die Mitarbeiter an der Technik erfreuen.

Riccardo Rieder: Und jeder sieht, dass unser Erfolg an diesen digitalen Geschäftsmodellen hängt. Die Zeit zum Umschalten ist reif. Da sind alle dabei; jeder will die Zukunft sichern.

Was ist ein Mindset?

Unter Mindset versteht man die Mentalität eines Menschen bzw. die Unternehmenskultur. Es zeigt sich in bestimmten Denk- und Verhaltensmustern.

Was ist SCRUM?

SCRUM ist eine agile Projektmanagement-Methode, die vor allem in der Softwareentwicklung eingesetzt wird.

Stichwort Digital Challenge, was gab es für Ideen, wo ihr gesagt habt, das fanden wir richtig gut?

Torsten Hellwig: Ich hätte hinsichtlich Zukunftsaussichten gern noch etwas weiter gesponnen. Gefallen haben mir die Mobility-Hubs und die Verbindung zu autonomen Transportmitteln und die Flensburger Idee mit den großen Displays, anhand von Gangart und Größe die Inhalte der Werbeflächen anzupassen.

Was sind Mobility-Hubs?

Unter einem Mobility-Hub versteht man einen Verkehrsknoten, an dem Reisende die Möglichkeit haben, das Verkehrsmittel zu wechseln. Zum Beispiel vom Zug in den Bus, vom Auto in ein Shuttle, vom Bus auf ein Leihfahrrad usw.

Riccardo Rieder: Das ist natürlich auch für uns interessant, weil wir an unseren Geräten zunehmend Flächen mit Raum für Werbung anbieten können. Oder Herr Müller, der gerade einfährt, wird persönlich begrüßt. Gelegenheiten wie die Digital Challenge bringen einen natürlich dazu, über derartige Dinge aktiv und verstärkt weiter nachzudenken. Sind wir da noch richtig, wo wir stehen, sind wir auf dem richtigen Weg, oder gibt es neue Ideen? Es zeigt uns aber auch, dass die Ideen der Studenten und unsere Ideen in die gleiche Richtung gehen. Was wirklich konkret und nachhaltig umsetzbar ist, wird sich zeigen.

Torsten Hellwig: Es hat uns in jedem Fall gezeigt, dass es derzeit nichts gibt, was uns groß schaden könnte. Es gibt nicht den einen großen Angriff auf unsere Branche, der sagt, morgen ist Schluss. Disrupt war nicht möglich.

Die Designa GmbH war Teilnehmerin bei der Digital Challenge 2019. Im Zuge der einwöchigen Veranstaltung haben zwei Studierenden-Teams neue Geschäftsmodelle entwickelt und Designa auf den digitalen Prüfstand gestellt.